Passt das postmoderne Konzept nicht mehr zum Zeitgeist?

Das ist eine plausible Erklärung. Der Kapitalismus ist jetzt in Russland richtig angekommen. Damit passt das Nostalgische nicht mehr so richtig in die Landschaft, was die Leningrad-Songs bei aller ironischen Brechung transportiert haben. Shnur nennt die Musik, die er mit der neuen Band „Rubl“ macht, „Fitness-Rock“. Das ist natürlich so ironisch wie fast alle Äußerungen von Shnur, aber die Formulierung deutet darauf hin, dass diese Musik fit macht für die neuen Zeiten.

In Ihrem nächsten Film „Keine Angst. Kein Vertrauen. Um nichts bitten“ geht es um das russische Gangsterchanson. Wie sehr hat Sie die russische Musik gepackt?

Ich werde mich sicher wieder anderen Themen widmen. Aber ich finde diese Musiktradition sehr spannend, weil sie so viel über das Leben und die Gesellschaft erzählt, in der sie entstanden ist.

Peter Gutting


LENINGRAD – DER MANN, DER SINGT

Von Sascha Westphal

Es heißt, dass nahezu alle Russen Mat sprechen. Aber das wird ungern offen zugegeben. Denn diese Vulgärsprache, die von Flüchen und Obszönitäten durchsetzt ist und nur so vor wüsten Sexismen und selbstherrlichen Prahlereien strotzt, ist offiziell in Russland verboten. Doch das erhöht ihren Reiz natürlich nur, besonders für überzeugte Non-Konformisten wie den Musiker, Dichter und Konzeptkünstler Sergej „Shnur" Shnurov. Dessen folkloristisch angehauchte Ska-Punk-Band „Leningrad" ist mit ihren Mat-Liedern innerhalb kürzester Zeit von einer typischen Underground-Formation zu einem wahren Pop-Phänomen mutiert und konnte schließlich auch jenseits der russischen Grenzen einige beachtliche Erfolge feiern.